Dienstag, 10. Januar 2017

Das Wollen ist mein ganzer Zustand.


Père Lachaise

Aber als Wollen können wir es nicht bezeichnen, denn es sind keine Objekte da, auf welches es sich beziehen soll; als Sein auch nicht, denn es ist kein Bewusstsein da, für welches es sein könnte. 

Einwurf: Aber im Ich ist ja ideale und reale Tätigkeit vereinigt, das Wollen kann sonach auf ideale Tätigkeit bezogen werden. Antwort: Dies ist unmöglich, da ideale Tätig-//155//keit unter dem Gesetz steht, nur teilweise aufzufassen, oder weil die endliche Intelligenz nur diskursiv ist. Das Aufgezeigte ist nun mein ganzer Zustand, dieser kann also auch nur teilweise aufgefasst werden. Das Fühlen, Anschauen, Denken der Intelligent ist nur ein Übergehen von einem zum anderen. Nun ist eber ein Übergehen nicht möglich, wenn es nicht in dem entstehenden Mannigfaltigen Glieder gibt (die oben aufgezeigten Gefühle), die nur auf einmal aufgefasst werden können. -

Wenn unser Zustand auf einmal aufgefasst würde, so würde nicht übergegangen, und so würde nichts Ganzes aufgefasst. Was ist nun das Ganze dieses Zustandes? Nach dem soeben Gesagten ist es Synthesis des Wollens und des Seins, Beziehung beider auf einander, welches beide nicht zu trennen ist.

Ein einzelner Teil aufgefasst und auf den Willen bezogen bedeutet Befriedigung, aber da es nur ein einzelner Teil ist, auch Beschränktheit. Also [meine] Kausalität und Beschränktheit werden unzertrennlich sein. Dadurch, dass es Kausalität ist, ist es etwas für uns, denn wir können uns nur im Wirken anschauen; dadurch, dass es begrenzt ist, wird es ein Fühlbares, Anschaubares, Denkbares, ein Quantum.* Mein wahres Sein ist Bestimmtheit meines Wollens; dadurch ist nun auch mein ganzer Zustand bestimmt, denn Zeit, Fortgehen in der Zeit, ist nur zu Folge unseres Denkens. Ich werde nicht in der Zeit, ich bin auf einmal fertig für immer. Dieses ganze Sein wird aufgefasst in der Zeit, und dadurch wird erst für das Denken ein Werden in der Zeit.

Das Gefühl ist Affektion unserer selbst, es wir im Gefühle uns etwas angetan; es muss also etwas in uns sein, dem es angetan wird, und dies ist unser Handeln, aber es ist für uns nichts ohne Beschränktheit, und Be- schränktheit nicht ohne Handeln, daraus besteht nun das Fühlbare. Durch das Handeln ist es für uns; dadurch, dass es beschränkt ist, ist es Gegenstand des Gefühls. Alles unser Bewusstsein geht aus von einer Wechselwir- kung des Handelns und der Beschränktheit, beides ist beisammen, und dies ist das Objekt des Gefühls.

//156// Bei dieser Affektion darf man nicht denken an Zeit, sondern es ist unser Zustand. Ich bin bestimmt ursprünglich. Es ist Sein, und zwar beschränktes Sein, dies fasse ich auch nur auf eine beschränkte Weise auf. Überall ist Tun und Beschränktheit. - Das Gefühlsvermögen ist ideal, es ist der Ursprung alles Anschauens, von ihm kommt erst alles unser Denken in der Zeit.

*[Quantum ist alles Begrenzte, Verhältnismäßige; aber nicht unbedingt Menge im Raum; JE]
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 154ff. 


Nota. - Wirklich ist, was in Raum und Zeit geschieht. Ich, Wollen, Denken, Handeln sind Noumena; gedacht allein, um das Wirkliche in Raum und Zeit als sinnhaft verstehen zu können. Ausgngspunkt der Darstellung war aber das Vorstellen selbst  und ihr Fortschreiten. So muss es scheinen, als wären die Noumena an sich und vor aller Zeit 'da' - und fielen erst dann in Raum und Zeit. - So fasst es das dogmatische Bewusstsein auf, das unsern Alltag regiert, und diese Verkehrung aufzudecken ist Sinn und Zweck der Kritischen bzw. Transzen- dentalphilosophie, denn der Ort dieser Verkehrung ist das empirische Ich: Es hält sich für ein Objekt, wo es sich für ein Subjekt halten sollte. Und das ist der Sinn, den es aufzufinden galt..
JE






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