Montag, 19. Dezember 2016

Was ist denn nun die intellektuelle Anschauung?



3. Das eben Aufgezeigte soll an das, wovon wir im vorigen Paragraphen gesprochen haben, angeknüpft werden. Es war die Rede von dem Mannigfaltigen des Gefühls, inwiefern wir Kausalität haben; oder wie wir Einheit in das Mannigfaltige bringen dadurch, dass wir es auf unser Wollen beziehen und davon ableiten. Das ist der Anfang alles Bewusstseins.

Diesen Zustand wollen wir näher betrachten: In ihm liegt zweierlei ganz Verschiedenes. Es sind gleichsam zwei Seiten, auf der einen etwas Sinnliches, das Mannigfaltige des Gefühls; auf der anderen Seite das intelligible Ich, das Wollende. In der Mitte als Vereinigung von beiden: das Denken meiner selbst als enthaltend den Grund der Sukzession des Mannigfaltigen. Wie ist nun dieses Denken meiner selbst möglich?


Dies untersuchen wir jetzt. Wie finde ich mich, wie werde ich mir gegeben? Denn das Denken ist ein idealer Akt, welcher sein Objekt als gegeben voraussetzt.

Im vorigen Paragraphen haben wir vorläufig geantwortet: Dieses Denken bezieht sich auf eine intellktuelle Anschauung; //142// und dies muss hier näher bestimmt werden. Was ist denn nun die intellektuelle Anschauung selbst, und wie entsteht sie?

Entstehen ist ein Zeitbegriff, ein Sinnliches, aber die intellektuelle Anschauung ist nicht sinnlich, sie entsteht also nicht, sie ist; und es kann nur von ihr gesprochen werden im Gegensatz zur sinnlichen.

Zuvörderst kommt die intellektuelle Anschauung nicht unmittelbar vor, sondern sie wird in jedem Denkakte nur gedacht, sie ist das Höchste im endlichen Wesen. Auch der Philosoph kann sie nur durch Abstraktion und Reflexion zu Stande bringen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 141f.



Nota. - Das Denken ist ein idealer Akt, welcher sein Objekt als gegeben voraussetzt. Der Ausgangspunkt ist die Sinnlichkeit, das Gefühl. Soll ich mir als gegebenes Objekt vorkommen, muss ich mich als Teil des Mannigfalti- gen anschauen. Zugleich soll mich aber als das Wollende denken, welches ein Intelligibles ist. - Die Mannigfalti- gen stehen zu einander im Verhältnis der Dependenz. Mich als wollend und als Teil des sinnlich Mannigfaltigen auffassen kann ich als Kausalität ('das Kausierende') der Dependenz: als absoluter Anfang der Sukzession. - Das kann in unmittelbarer Anschauung nicht geschehen, es muss gedacht werden - nämlich als notwendig anzuneh- mende Vorausssetzung all meines Tuns; als etwas, das vor dem 'absoluten Anfang' lag. Es ist ein Reflexion, die nicht über sich hinaus, sondern hinter sich zurück geht.
JE




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