Donnerstag, 7. Juli 2016

Das Handeln wird dadurch, dass es angeschaut wird, zum Begriff fixiert.




Nicht so vernunftmäßig wie Kant verstehen diejenigen, welche die intellektuelle Anschauung hinterher leugneten, nachdem sie ihnen doch vorher deduziert worden war (der Rezensent über Schellings Ich, vide Allgemeine Zeitung, 1798) sie werden sich ihrer Freiheit im Denken nie bewusst [sic].

Wer sich das Ich zuerst dachte, der hatte einen Begriff davon. Wie kommt dieser Begriff zustande?

Um mich selbst als mich selbst wahrnehmen zu können, müsste ich mich schon als gesetzt voraussetzen. Zu der Tätigkeit, mit der ich mich setze, ging ich über von einer Ruhe, Untätigkeit, die ich er Tätigkeit entgegensetze. Anders konnte man die Vorstellung der Tätigkeit nicht bemerken; sie ist ein Losreißen von einer Ruhe, von welcher zur Tätigkeit übergegangen wird. Also nur durch Gegensatz war ich vermögend, mir meiner Tätigkeit klar bewusst zu werden und eine Anschauung derselben zu bekommen.

Handeln ist gleichsam Agilität, Übergehen im geistigen Sinne, dieser Agilität wird im Bewusstsein entgegengesetzt ein Fixiertsein, ein Beruhen. Umgekehrt kann ich mir auch der Ruhe nicht bewusst werden, ohne dass ich mir der Tätigkeit bewusst bin. Man muss daher beide zugleich ansehen, um eine von beiden einzeln ansehen zu können. Nur durch Gegensatz ist eine bestimmtes klares Bewusstsein möglich.Wir haben es hier aber nicht mit diesem Satze überhaupt, sondern mit dem einzelnen bestimmten Falle zu tun, der hier in Frage kommt.

Ich richte meine Aufmerksamkeit auf den Zustand der Ruhe, / in dieser Ruhe wird das, was eigentlich ein Tätiges ist, ein Gesetztes. Es bleibt keine Tätigkeit mehr, es wird ein Produkt; aber nicht etwa ein anderes Produkt, als die Tätigkeit selbst, kein Stoff, kein Ding, welches vor der Tätigkeit des Ich vorherging; sondern bloß das Handeln wird dadurch, dass es angeschaut wird, fixiert. So etwas heißt ein Begriff, im Gegensatz der Anschauung, welche auf die Tätigkeit als solche geht.

In dieser in sich zurückgehenden Tätigkeit, als ruhend angeschaut, fällt Subjekt und Objekt zusammen, und dadurch entsteht das Positive, Fixierte. Dieses Zusammenfallen beider, und wie dadurch die Anschauung in einen Begriff verwandelt wird, lässt sich nicht anschauen, sondern nur denken. Nur die Anschauung lässt sich an-schauen, nicht denken; das Denken lässt sich nur denken, nicht anschauen. Jede Äußerung des Gemüts lässt sich nur durch sich selbst auffassen. Dies bestätigt die oben aufgestellte Theorie des Bewusstseins.
__________________________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 32f.



Nota: - 'Als ruhend' heißt: außerhalb des Zeitverlaufs; bloß im Raum heißt: als reine Form der Tätigkeit. - Es ist überhaupt nur dieses Vermögen, ein Tun 'als ruhend', als bloße Form aufzufassen und zum Begriff zu bilden, das die Vorstellung von einem An sich möglich macht.

Nachtrag zu gestern: Gegenstand der 'intellektuellen Anschauung' ist ja das 'unmittelbare Bewusstsein', aber nicht als Akt, im Moment seines Geschehens, sondern schon in der Reflexion, als ein längst Geschehenes. Es kann überhaupt nur 'als Begriff angeschaut' werden - was eigentlich ein Paradox ist.
JE



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen