Sonntag, 24. Januar 2016

Meine Emendation der Wissenschaftslehre.




Der letzte Grund, auf den die Wissenschaftslehre in ihrem ersten, analytischen Teil stößt, ist das Noumenon des Wollens-überhaupt. Aus dieser Triebkraft allein ist der wirkliche Gang der Intelligenz zu erklären (=der zweite, synthetische Gang der Wissenschaftslehre)

Wollen ist aber stets Wollen von Etwas, wollen setzt einen Zweck, an dem es sich bestimmen kann. Dem Nou- menon des Wollens-überhaupt steht daher das Noumenon eines Zwecks-überhaupt gegenüber. Sowenig wie jenes ist er aber bestimmt; er ist bestimmbar, und dieses unendlich. Zweck-überhaupt ist die nicht erschöpfba- re Idee des Absoluten, und der Gang der Intelligenz wäre ohne sie ohne Richtung und könnte eine Vernunft nie ergeben.

Fichte bastelt vorübergehend an dem Paradox eines irgendwie-doch-schon-bestimmten Absoluten. Daraus kann nichts werden. Da trifft ihn der Offene Brief Jacobis. Prompt geht er ihm auf den Leim und bekehrt sich zu einem re- alen
Absoluten.* Ab da werden seine Darstellungen der Wissenschaftslehre zu dogmatisch konstruierender Me- taphysik.

Meine Verbesserung ist nur ein kleine, aber eine entscheidende. Das Noumenon des Absoluten ist eine Idee, und da es diejenige Idee ist, die alles Werten überhaupt erst möglich macht, ist es eine ästhetische Idee.

Dies zum einen.

Zum andern ist Vernunft in ihrer tätigen Form als Vernünftigkeit nicht die endliche Summe von soundsoviel individuellen Leistungen, sondern ein gegebener – vorgefundener – Zustand: das Verhältnis einer "Reihe ver- nünftiger Wesen" untereinander. Als ein solches ist es den individuellen Intelligenzen und ihren Erfahrungen 'a priori' vorausgesetzt als Bedingung ihrer Möglichkeit.

Mit andern Worten, Vernünftigkeit ist keine Privatsache, sondern das Verhältnis zwischen einem 'Ich' und einer 'Welt'.

Doch nicht alles, was mir vorkommt, berührt 'das Ich'. Es juckt die Nase, kribbelt im Fuß, denkt an den letzten Sommer. Das widerfährt mir persönlich, das Ich als das Prinzip meiner Vernünftigkeit wird davon nicht berührt. Der eine findet Charlie Chaplin komischer, der andere Buster Keaton. Einen fasziniert Michael Jackson, einen andern David Bowie: Das ist Sache des Geschmacks, und der urteilt einzeln und immer ad hoc. So ist es mit der Moralität. Ihre Ratschlüsse geschehen und gelten hic et nunc. Abstraktionen sind ihr nicht bloß fremd, sondern zuwider.

Das sind Sachen, die mich persönlich berühren  also nicht 'mein Ich'; die 'in der Welt' vorkommen, aber nur in meiner Welt und nicht in unserer Welt. Das eine geht die 'Reihe vernünftiger Wesen' etwas an, das andre nicht. (Recht ist eins; Moral ist ganz was anderes.)

Das ist meine zweite Emendation.

Beide hängen aber miteinander zusammen, nämlich in der regulativen Idee eines Absoluten; und in specie darin, dass es unbestimm- und nicht erschöpfbar ist
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*) – das zwar nicht bestimmt, aber vorgängig immer schon sich-selbst-bestimmend war.








Nota. 
Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE 

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