Mittwoch, 30. Dezember 2015

Das Gefühlte ist das apriori Bestimmte und Bedingung allen Bestimmens.




Wir kennen die Sphäre des Bestimmbaren noch nicht anders als unter dem Prädikate eines ins Unendliche teilbaren Mannigfaltigen; aber ein solches ist nichts, ein solches ins Unendliche Teilbare gibt keine Anhalten, kein Bindendes, mithin keine ideale Tätigkeit und mithin auch keine Tätigkeit ins Unendliche. Mithin wider-spricht sich der Begriff von Etwas, welches weiter nichts sein soll als teilbar / ins Unendliche. Und da dieser Begriff unter den Bedingungen des Bewusstseins vorkommt, so käme uns letzteres [als] ein Unmögliches vor.

Es müsste sonach etwas Positives, welche nicht weiter teilbar wäre, angenommen werden, um die ideale Tätigkeit des praktischen Vermögens zu erklären; dies ist aber ein Reales, das Unteilbare müsste also unteilbar sein als Realität; als Quantität aber müsste es wohl teilbar sein. Nun soll die ideale Tätigkeit hier so gebunden sein: nicht, dass sie als Bewegliche fortgerissen werde, sondern dass sie angehalten und fixiert werde.

Das, was die ideale Tätigkeit fixiert, soll Stoff einer Wahl sein; aber die Wahl kann nur mit Bewusstsein des Gewählten* geschehen, aber es gibt kein Bewusstsein von Etwas ohne Entgegensetzung. Sonach müsste es in dieser Ansehung Zustände des Gemüts geben, die nur Einheit und Gleichheit sind, nicht aber Vielfalt in eben und demselben Zustande. Es muss Grundeigenschaften geben (die nicht weiter zergliedert werden können) des Bestimmbaren und ein Sein dieses Bestimmbaren.

Alles, was auf ideale Tätigkeit sich bezieht, ist Setzen, und entweder Tätigkeit des Ich, Gebundenheit der idealen Tätigkeit, oder Sein des NichtIch; ein Gesetztsein, durch welches ein Werden und Machen negiert wird. Wenn die Möglichkeit der Entgegensetzung so abgeleitet wird, so wird der oben behaupteten Teilbarkeit ins ins Unendliche nicht widersprochen, denn ich kann ja dasselbe Sein vermehren oder vermindern.

Das oben Gezeigte wird sich unten zeigen als dasjenige, was durch das unmittelbare Gefühl gegeben ist, z.B. rot, blau, süß, sauer. In diesen Gefühlen ist der Zustand des Gemüts nicht Vielheit, sondern Einheit. Die Vielheit findet aber dabei statt, nämlich dem Grade nach, ich kann mehr oder minder Rotes, aber ich kann nicht sagen, wo es aufhört, rot zu sein. Wie ist das Setzren oder das Bewusstsein dieses Etwas möglich? Wie kommts in das Ich?

Dieses Etwas und das Bewusstsein davon geht allem Handeln voraus, denn das Handeln ist dadurch bedingt. Das Gegeben ist die Sphäre alles möglichen Handelns; das Handeln / aber ist absolut nichts Einfaches, sondern ein Zweifaches. Es liegt gleichsam eine Ausdehnung des sich-selbst-Affizierens und ein Widerstand desselben, der es aufhält und zu einem Anschaubaren macht, darin.

Was in der Sphäre des Bestimmbaren liegt, ist das Handeln. Jedes Mögliche muss etwas dem Ich Angehöriges (Tätigkeit) und etwas ihm Widerstrebendes sein. Dieses  Etwas ist als ein wirkliches Handeln nicht gesetzt; was also davon dem Ich angehört, ist nicht zu erklären aus einer wirklichen Selbstaffektion. Das Ich wird hier nur gesetzt als das Vermögen des Handelns in diesem Mannigfaltigen. Nun kommt aber dieses Vermögen hier nicht vor als ein bloßes Vermögen, als ein Mögliches im Denken, sondern als ein Anschaubares, welchem in sofern der Charakter des Seins zukommt. 

Der Charakter des Seins ist Bestimmtheit, folglich müsste hier liegen ursprüngliche Bestimmtheit zum Handeln überhaupt. – Das Ich, sobald es gesetzt ist, ist nicht frei zu handeln überhaupt, sondern nur, ob es dieses oder jenes handeln will. Wir bekommen hier ein notwendiges Handeln. Das Wesen des Ich ist Tätigkeit, folglich wäre hier ein Sein der Tätigkeit. Das den Begriff von seinem Willen entwerfende Ich ist gebunden, aber die Gebundenheit deutet auf ein Sein, und zwar auf ein eigentliches Sein. Das Bindende und insofern Setzende ist dem Ich angehörig, aber das Ich ist hier praktisch (Tätigkeit), sonach ist hier ein Sein der Tätigkeit. 

Beide sich widersprechende Begriffe sind hier vereinigt (nämlich Sein und Tätigkeit), und diese Vereinigung wird hier betrachtet als ein Gefundenes. Ich finde etwas, aus welchem ich mein Handeln zusammensetze; in diesem liege ich selbst, also hier wird Tätigkeit gefunden. Diese Tätigkeit ist eine zurückgehaltene Tätigkeit, und davon bekommt sie den Charakter des Seins. So etwas ist aber ein Trieb, ein sich selbst produzierendes Stre-ben, das im Innern dessen, dem es zugehört,  gegründet ist [...], es ist Tätigkeit, die kein Handeln ist, etwas An-haltendes, die ideale Tätigkeit Bestimmendes, eine innere, fortdauernde Tendenz, den Widerstand zu entfernen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982,  S. 64ff.


Nota. - Als Fühlendes ist das Ich nicht mehr bloßes Vermögen, sondern ist anschaubar und dadurch zu einem Sein geworden. Davon geht alles Handeln aus. Oder so rum gesagt: Indem es vom Fühlen zum Handeln übergeht, erweist sich überhaupt erst das Vermögen. (Ist das zu apodiktisch gesagt?)
JE




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