Samstag, 24. Mai 2014

Weltplan und ewiges Leben


wollmaus

Es ist daher klar, dass der Philosoph, um auch nur ein einziges Zeitalter, und, falls er will, das seinige, richtig zu charakterisiren, die gesammte Zeit und alle ihre möglichen Epochen schlechthin a priori verstanden und innigst durchdrungen haben müsse. 

Dieses Verstehen der gesammten Zeit setzt, so wie alles philosophische Verstehen, wiederum einen Einheitsbegriff dieser Zeit voraus, einen Begriff einer vorher bestimmten, obschon allmählig sich entwickelnden Erfüllung dieser Zeit, in welcher jedes folgende Glied bedingt sey durch sein vorhergehendes; oder, um dies kürzer und auf die gewöhnliche Weise auszudrücken: es setzt voraus einen Weltplan, der in seiner Einheit sich klärlich begreifen, und aus welchem die Hauptepochen des menschlichen Erdenlebens sich vollständig ableiten, und in ihrem Ursprunge sowie in ihrem Zusammenhange untereinander sich deutlich einsehen lassen. Der erstere, jener Weltplan, ist der Einheitsbegriff des gesammten menschlichen Erdenlebens; die letzteren, die Hauptepochen dieses Lebens, sind die eben erwähnten Einheitsbegriffe jedes besonderen Zeitalters, aus denen wiederum desselben Phänomene abzuleiten sind. ... /

Erdenleben der Menschheit gilt uns hier für das gesammte Eine Leben, und die irdische Zeit für die gesammte Zeit; dies ist die Grenze, in welche die beabsichtigte Popularität unseres Vortrages uns einschränkt; indem von dem Ueberirdischen und Ewigen sich nicht gründlich reden lässt, und zugleich populär. Hier, sage ich, in diesen Vorträgen, gilt sie uns dafür; denn an sich und für den höheren Aufschwung der Speculation ist das menschliche Erdenleben und die irdische Zeit selbst nur eine nothwendige Epoche der Einen Zeit und des Einen ewigen Lebens; und dieses Erdenleben, sammt seinen Nebengliedern, lässt sich aus dem schon hienieden vollkommen möglichen Einheitsbegriffe des ewigen Lebens ableiten.  ...

Der Begriff eines Weltplans also wird unserer Untersuchung vorausgesetzt, den ich, aus dem angegebenen Grunde, hier keinesweges abzuleiten, sondern nur anzuzeigen habe. Ich sage daher, – und lege damit den Grundstein des aufzuführenden Gebäudes – ich sage: der Zweck des Erdenlebens der Menschheit ist der, dass sie in demselben alle ihre Verhältnisse mit Freiheit nach der Vernunft einrichte.
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Die Grundzüge des gegewärtigen Zeitalters,
SW VII, S. 6, 7


Nota. - Wenn die Vernunft als ein festgeschriebenes Programm mit eigener Energie aufgefasst wird, kann es nicht ausbleiben, dass sie in der irdischen Geschichte der Menschen ihre endliche Gestalt annimmt. Dann sind es wohl die Menschen selber, die ihre Geschichte machen, aber, ohne ihr Wissen und womöglich gegen ihre Absicht, am Leitfaden eines unvordenklichen Plans. Mit der dogmatischen Auffassung der Vernunft sind dem Dogmatismus auf allen Gebieten Tür und Tor neu geöffnet, die ihm die Kritische Philosophie so sorgsam verschlossen hatte.
JE

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