Samstag, 19. April 2014

Ein intellektuelles Gefühl.


Sabine Nüsch, pixelio.de

Zuförderst über den Doppelsinn des Wortes Gefühl, der auch Herrn E. an meiner Meinung irrig gemacht. Das Gefühl ist entweder sinnlich und das des Bittern, Roten, Harten, Kalten usw., oder intellektuell. Herr E. und mit ihm alle Philosophen seiner Schule scheint die letztere Art gänzlich zu ignorieren, nicht zu beachten, daß auch eine solche Gattung angenommen werden müsse, um das Bewußtsein begreiflich zu machen.

Ich habe es hier mit dem ersten nicht zu tun, sondern mit dem letztern. Es ist das unmittelbare Gefühl der Gewißheit und Notwendigkeit eines Denkens. – Wahrheit ist Gewißheit: und woher glauben die Philosophen der entgegengesetzten Schule zu wissen, was gewiß ist? Etwa durch die theoretische Einsicht, daß ihr Denken mit den logischen Gesetzen übereinstimmt? Aber woher wissen sie denn, daß sie sich in diesem Urteile über die Übereinstimmung nicht wieder irren? Etwa wieder durch theoretische Einsicht? Aber wie denn hier? – Kurz, da werden sie ins Unendliche getrieben, und ein Wissen ist schlechthin unmöglich. – Überdies, ist denn Gewißheit ein Objektives, oder ist es ein subjektiver Zustand? Und wie kann ich einen solchen wahrnehmen, außer durch das Gefühl? 

/ Es ist klar, daß dieses Gefühl nur mein Denken begleitet und nicht eintritt ohne dieses. – Daß das Gefühl eine Wahrheit geben solle, ist unmöglich und würde keinen Sinn haben. Es, dieses Gefühl der Gewißheit und Wahrheit, begleitet nur ein gewisses Denken.

Es ist klar, daß, wenn ein solches Denken die Bedingung der Vernünftigkeit selbst ist und das Gefühl der Gewißheit unabtrennlich einfaßt, alle Menschen über dieses Gefühl übereinkommen müssen und es jedem anzumuten ist, wenn es ihm auch nicht anzudemonstrieren wäre, welches in Absicht des Unmittelbaren überhaupt nirgends stattfindet.
 

Es ist dieses Gefühl ein intellektuelles Gefühl.

Es ist dies der Grund aller Gewißheit, aller Realität, aller Objektivität.
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Rückerinnerungen, Antworten, Fragen, [S. 147f.]






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